Gibt es Projekte, die kein Mensch braucht? Sicher hast du das selbst bei deiner täglichen Arbeiten schon einmal erlebt. Du bist auf ein Projekt gestoßen, dass aus deiner Sicht überhaupt keinen Sinn macht – es hat keinen erkennbaren Nutzen. Eines kann ich dir dazu sagen: Das ist gar nicht so selten. In diesem Artikel möchte ich dir deshalb einen Weg zeigen, wie du feststellen kannst, ob es überhaupt Sinn macht ein Projekt zu starten.
Dafür brauchst du ein einfaches Mittel: Die Situationsanalyse im Projektmanagement.
Wir starten mit einen Blick darauf, weshalb die Situationsanalyse im Projektmanagement überhaupt erforderlich ist.
Mit diesen Grundlagen ausgestattet erfährst du dann, worauf du bei der Durchführung unbedingt achten musst.
Dann geht´s direkt ans Eingemachte: Du lernst, woraus eine vollständige Situationsanalyse besteht. Du wirst sehen: Es gibt eine Menge Werkzeuge und Methoden, wie du das Thema angehen kannst.
Danach weißt du wie es geht. In einem 9-Punkte-Plan werde ich dir dann zeigen, wie du am besten vorgehst.
Ganz Eilige können sich auch direkt die Checkliste zur Erstellung der Situationsanalyse im Projektmanagement herunterladen. Damit hast du ein Werkzeug, mit dem du sofort loslegen kannst.
Zum Schluss möchte ich dir noch ein paar Tipps aus meiner täglichen Arbeit als Projektleiter mit auf den Weg geben. Spätestens damit kann nichts mehr schief gehen.
Los geht´s.
Wofür die Situationsanalyse im Projektmanagement erforderlich ist
Zuallererst musst du verstehen, woraus überhaupt der Bedarf entsteht, dass eine Situationsanalyse durchgeführt wird. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Es gibt Probleme oder Chancen, die aus einem bestehen Zustand heraus entstehen. Daraus entsteht eventuell der Bedarf für ein Veränderungsprojekt.
- Es gibt neue Ideen, aus denen Chancen entstehen. Daraus entsteht eventuell der Bedarf für ein Chancenprojekt.
Jetzt weißt du, warum überhaupt eine Situationsanalyse durchgeführt wird. Deshalb schauen wir uns im nächsten Schritt an, was ihr Ziel ist:
Die Situationsanalyse erfasst die bestehende Ausgangs- oder Problemsituation und bewertet sie. Ihr Ergebnis entscheidet darüber, ob ein Projekt überhaupt gestartet und durchgeführt wird.
Die Ist-Analyse der bestehenden Situation beantwortet damit drei wichtige Fragen:
- Wie ist überhaupt die aktuelle Situation?
- Wo stehen wir damit?
- Macht es Sinn aus dieser Situation heraus ein Projekt zu starten und durchzuführen?
Mit den Antworten auf diese Fragen schaffst du die Grundlage für zwei sehr wichtige Aspekte:
- Alle Beteiligten brauchen ein ausreichendes und gemeinsames Verständnis der aktuellen Ausgangs- und Problemsituation. Erst dann ist es möglich sinnvolle Ziele und weitere Inhalte festzulegen.
- Die beschriebene Ausgangs- und Problemsituation bildet eine Ausgangsbasis für spätere Vergleiche. Daran kannst du dann feststellen, ob die Entwicklung überhaupt in die geplante Richtung ging.
Was du bei der Durchführung der Situationsanalyse beachten musst
Wir haben jetzt geklärt, weshalb überhaupt Situationsanalyse im Projektmanagement notwendig ist. Die Durchführung ist kein Hexenwerk. Damit du effizient zum Ziel kommst, beachtest du unbedingt diese drei Punkte:
- Kenne deinen Auftraggeber: Er ist dein Hauptansprechpartner und die wichtigste Person/Personengruppe, wenn es um die Abgrenzung des zu analysierenden Teilbereichs geht. Er gibt dir auch den Aufwand, Priorität und deine weiteren Ansprechpartner vor.
- Finde das richtige Maß. Es macht keinen Sinn während der Ist-Analyse alles zu betrachten. Versuche nur Informationen aufzunehmen, die für die mögliche spätere Projektsituation von Belang sind.
- Es geht nicht um Lösungen. Bei der Ist-Aufnahme geht es noch nicht um konkrete Lösungen und Alternativen. Es geht nur darum, dass die Ist-Situation gut abgegrenzt aufgenommen und bewertet wird.
Woraus eine vollständige Situationsanalyse besteht
Eine vollständige Erfassung und Bewertung des Ist-Zustands besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Teilbereichen:
Ich werde dir für beide Teilbereiche einige Methoden und Herangehensweisen vorstellen. Die Liste kann natürlich unendlich weitergeführt werden. Wichtig für dich ist: Gehe mit gesundem Menschenverstand an die Sache heran. Benutze nicht eine Methode der Methode wegen. Wähle die Herangehensweise aus, die sich am besten für deine Zwecke eignet.
Bestehende Ausgangs- oder Problemsituation erfassen
Zuerst wird der Ist-Zustands, also die Ausgangs- und Problemsituation erfasst. Für diese Erfassung musst wissen, was deine Quellen für die Erfassung sein können und, welche Methode du für die Erfassung anwenden möchtest.
Schauen wir uns zuerst an, was deine Quellen für die Erfassung sein könnten:
- Auftraggeber: Dieser hat i. d. R. das beste Bild von der Ausgangssituation. Schließlich ist er derjenige, der das Projekt starten möchte.
- Stakeholder: Denke hier an jeden, der möglicherweise etwas zu dem Thema wissen könnte.
- Späteres Projektteam: Evtl. steht dir bereits in der Initiierungsphase ein Teil deines späteren Projektteams zur Verfügung.
- Dokumente aller Art: Z. B. Listen, Lastenhefte, Pflichtenhefte, Funktionsbeschreibungen, Systemdokumentationen, Organigramme, usw. Ganz egal was, nimm was du kriegen kannst.
- Bestehende IT-Systeme: Es lohnt sich auch immer, wenn du bereits bestehende Systeme ansiehst und analysierst. Diese Systeme bilden die Ist-Situation meistens sehr exakt ab.
Du siehst, dass als Quellen Personen, Personengruppen, aber auch materielle und immaterielle Dinge in Frage kommen können.
Jetzt, da du mögliche Quellen kennst, stellt sich noch die Frage, mit welchen Methoden du diese Quellen für die Ist-Aufnahme anzapfen möchtest. Folgende Methoden können dafür sehr gut angewendet werden:
- Befragung/Interview: Das kannst du entweder unstrukturiert machen und schauen, was du erzählt bekommst. Alternativ geht es auch mit zuvor festgelegten Fragen.
- Beobachtung: Schaue ausgewählten Personen bei der Ausführung ihrer Arbeit zu und erfasse so, wie die Situation ist.
- Brainstorming: Diese Gruppenarbeitsmethode eignet sich gut zur Ist-Aufnahme und stellt die strukturierte gemeinsame Problemdiskussion und deren Ordnung in den Vordergrund.
- Offene Diskussion: Lasse die Personen in der Gruppe einfach drauflosreden. Schau was passiert und, was du daraus brauchen kannst.
- Workshops: Diese moderierte Form der Gruppenarbeit kann gute Aufschlüsse bringen. Allerdings ist darauf zu achten, dass der Moderator die Gruppe nicht zu stark einschränkt und so wertvolle Informationen verloren gehen.
- Untersuchung: Die Untersuchung kannst du anwenden, wenn du materielle und immaterielle Dinge untersuchst, z. B. Dokumente oder IT-Systeme.
Erzielte Ergebnisse beschreiben und bewerten
Du hast also jetzt den Ist-Stand erfasst. Dann geht es im nächsten Schritt darum, dass du die Ergebnisse strukturiert beschreibst und bewertest. Dafür brauchst du zwei Dinge: Methoden zum Beschreiben der Ergebnisse und eine Möglichkeit zur Bewertung.
Mit diesen Methoden kannst du Ergebnisse beschreiben:
- Verbale Beschreibung: Schreibe einfach in freier Form auf, was du bei der Ist-Analyse festgestellt hast.
- Listen/Aufstellungen: Das kannst du entweder als Teil der verbalen Beschreibung nutzen oder für sich alleine.
- Diagramme: Diagramme eignen sich super zur kompakten Darstellung von Informationen. Du kannst damit Abläufe, Mengen, Verhältnisse und vieles mehr darstellen.
- Prozessmodelle: Zur Darstellung von Geschäftsprozessen kannst du Prozessmodelle verwenden. Es gibt dafür zahlreiche eigene Methoden. Am Ende geht es aber darum die Transformation eines bestimmten Inputs zu einem dazugehörigen Output zu beschreiben.
- Organigramme: Organigramme eigenen sich nicht nur, um Führungshierachien abzubilden. Du kannst sie auch sehr gut für jegliche hierarchische Darstellung von Informationen verwenden.
Nachdem du die Ist-Situation beleuchtet und entsprechend beschrieben hast, geht es darum, dass du die umfangreichen Daten zusammenführst. Dabei verdichtest du sie und führst eine lösungsneutrale Bewertung durch. Eine sehr beliebte Methode zur Bewertung der Daten ist die
- SWOT-Analyse: Mit ihr hast du ein Werkzeug, um die Daten aus zwei Blickwinkeln zu betrachten. Zum einen richtest du den Blick nach innen ins Unternehmen hinein und zeigst auf, welche Stärken und Schwächen sich aus deinen Ergebnissen ableiten lassen. Zum anderen richtest du den Blick nach außen auf die Unternehmensumwelt und zeigst auf, welche Chancen und Risiken sich in Kombination mit den Stärken und Schwächen ergeben.
- Wichtig: Die SWOT-Analyse wird hier als Bewertungsinstrument eingesetzt. Sie soll einen integrierten Blick auf die gesammelten Daten ermöglichen. Sie ist kein Mittel zur Auswahl von Alternativen. Erinnere dich: Es geht bei der Situationsanalyse nicht um konkrete Lösungen.
- Eine sehr gute Anleitung für die Durchführung der SWOT-Analyse findest bei Andrea von projekte-leicht-gemacht.de oder bei Sonja von on-operations.com.
Wie du bei der Erstellung der Situationsanalyse am besten vorgehst
Du hast im letzten Abschnitt gelernt, woraus eine vollständige Erfassung des Ist-Stands besteht. Jetzt geht es daran, wie du am besten bei der Erstellung Ist-Analyse vorgehst.
Im Projektmanagement steht ein geplantes Vorgehen immer an erster Stelle. Das gilt auch für Erfassung der Ist-Situation.
- Zu Beginn etwas Grundsätzliches: Gehe vom Groben ins Feine vor. Verschaffe dir möglichst erst einen Gesamtüberblick. Entscheide dann, wo es in die Tiefe gehen muss und wo nicht.
Schritt für Schritt und in Iterationen funktioniert es so:
- Abgrenzung schaffen: Quetsche deinen Auftraggeber aus. Welcher Teilbereich soll genau analysiert werden? Stelle dabei z. B. auch die Frage: Weshalb sitze ich denn jetzt gerade hier bei Ihnen?
- Quellen für die Analyse festlegen: Stelle alle Ansprechpartner und sonstige Quellen zusammen, die in die Analyse einbezogen werden sollen.
- Methoden für die Analyse festlegen: Lege fest, welche Methoden für die Analyse der Quellen angewendet werden sollen.
- Aufwände abschätzen: Schätze die Aufwände für die einzelnen Analysepositionen ab. Beziehe in die Schätzung auch deine bekannten Ansprechpartner mit ein.
- Priorisierung mit dem Auftraggeber durchführen: Lege mit deinem Auftraggeber fest, wieviel Aufwand oder Zeit in die Analyse investiert werden soll. Das ist ein besonders wichtiger Punkt. Bedenke: Die Analyse kann man sonst bis ins Unendliche treiben. Es geht aber eben gerade darum ein ausreichendes Bild von der Gesamtsituation zu bekommen – kein vollständiges.
- Erhebung durchführen und Ergebnisse aufbereiten: Führe die Analyse des Ist-Zustands jetzt durch. Halte dich dabei an die festgelegte Priorität. Bereite nach der Analyse die Ergebnisse auf.
- Überprüfung der Ergebnisse: Liegt ein ausreichendes Bild von der Gesamtsituation vor?
- Falls ja – Bewertung durchführen: Führe die aufbereiteten Ergebnisse zur SWOT-Analyse zusammen. Bringe dann mit dem Auftraggeber zur Entscheidung, ob ein Projekt gestartet wird oder nicht.
- Falls nein – neue Iteration starten: Starte eine neue Iteration und beginne wieder bei Punkt 2. Du hast jetzt die Möglichkeit entweder deine Liste mit Analysequellen mit neuer Priorität weiter abzuarbeiten oder die Liste mit dem Auftraggeber weiter zu ergänzen. Es ist alles erlaubt, was nötig ist, um eine ausreichendes Bild zu erzeugen.
Download: Checkliste zur Situationsanalyse im Projektmanagement
Du willst gleich loslegen?
Hier kannst du dir eine Checkliste und Vorlage für die Durchführung der Situationsanalyse runterladen:
situationsanalyse-projektmangement-checkliste_www.agile-master.de_.docx
Tipps aus der Praxis
Bei meiner täglichen Arbeit als Projektleiter stoße ich immer wieder auf die gleichen Probleme. Diese Tipps möchte ich dir deshalb noch mit auf den Weg geben:
- Fühle dich zuständig: Als Projektleiter bist du in der Initiierungshpase nicht immer gleich mit an Board. Mein Tipp: Sobald du für das Projekt benannt bist – kriege deine Finger mit in die Situationsanalyse. Du kannst hier bereits essenziell die Grundlage für den Projekterfolg schaffen.
- Lege Wert auf deine vernünftige Eingrenzung/Abgrenzung: Diesen Punkt finde ich so wichtig, dass ich ihn hier nochmal erwähne. Sorge unbedingt dafür, dass der zu analysierende Teilbereich eingegrenzt wird.
- Nicht alles ist wissenswert: Lasse deinen Blick nicht durch zu viele Informationen trüben. Versuche von Anfang an mit deinen Analysepartnern nur die Informationen zu erfassen, die wirklich relevant sind. Scheue dich nicht Unnötiges sofort zu streichen, denn es bringt keinen Mehrwert.
- Du benötigst keine anspruchsvollen Methoden: Gehe mit gesundem Menschenverstand vor. Höre deinen Gesprächspartnern zu. Unterschätze niemals das Wissen, was in den Köpfen der Mitarbeiter steckt.
- Es muss nicht immer ein Projekt gestartet werden: Ganz im Gegenteil. Es ist äußerst professionell, wenn die Entscheidung auch mal fundiert gegen ein Projekt fällt. Das ist ökonomisch. Nicht jedes Vorhaben macht Sinn oder bringt Vorteile.
Fazit
Am Anfang des Artikels hatten wir uns gefragt, weshalb überhaupt sinnlos Projekte gestartet und durchgeführt werden.
Das liegt oft daran, dass keine fundierte Basis für die Entscheidung geschaffen wurde.
Wir waren uns einig: Das macht keinen Sinn und muss vermieden werden.
Mit der Situationsanalyse im Projektmanagement hast du jetzt ein einfaches Werkzeug an der Hand, mit dem du eine fundierte Basis für diese Entscheidung legen kannst.
Gehe dabei Schritt für Schritt vor, so wie du es jetzt gelernt hast. Führe alle Beteiligten geplant durch diese frühe Projektphase. Sie werden es dir danken.
Sei ein guter Projektleiter und erinnere dich noch einmal: Scheue dich nicht davor auszusprechen, wenn du festgestellt hast, dass ein Projektstart nicht sinnvoll ist.
Jetzt bist du dran. Viel Erfolg bei deiner Situationsanalyse.
Dein Feedback?
Ich bin gespannt auf deine Rückmeldung:
- Welche Methoden wendest du bei der Situationsanalyse an?
- Auf welche Probleme bist du gestoßen?
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